05.11.2013

Sogenannter Journalismus: Die mediale Darstellung von Fußballfans

Es gibt ein erstaunliches Missverhältnis bei der Berichterstattung
über Fußballfans: Bei kaum einem anderen Thema unterscheiden sich
das Erleben der vielen Beteiligten und die mediale Repräsentation
der Ereignisse in vielen Fällen derart eklatant.

Zwar bevölkern jede Woche ganze Hundertschaften von Sportreportern
die Pressetribünen der Bundesliga-Arenen, aber nur eine Handvoll
unternimmt den Versuch, tiefer in die Fan(Sub-)kultur einzutauchen
oder auch nur in teilnehmender Beobachtung eine Auswärtsfahrt zu
einem Risikospiel mitzumachen und damit die andere Seite der
VIP-Logen, Haupttribünen, Presseparkplätze und Polizeiketten
kennenzulernen. Genau das aber wäre die eigentliche journalistische
Aufgabe – wenn man denn schon seine Berichterstattung aufgrund
bestimmter Ereignisse vom Spiel auf die Ränge verlagern muss.

Auf der anderen Seite machen viele Fans, gerade aus den
Ultra-Szenen, selbst wohlwollenden Journalisten das Leben sehr
schwer: Sie sind schwer zu erreichen und selbst wenn bekommt man
auch mit guten Kontakten selten eine (schnelle) Antwort auf
drängende Fragen. Mit der Geschwindigkeit der medialen Welt, die die
meisten Fans in ihrem Alltag durchaus fordern und nutzen (wer wollte
schon 3 Tage auf Ergebnisse von anderen Plätzen warten …?), können
und wollen sie in ihrer eigenen Außendarstellung oft nicht mithalten
– ganz im Gegensatz zu Polizei und Verbänden.

So kommt häufig ein sehr einseitiges Bild zustande, das
beiderseitige Vorurteile und Feindbilder bestätigt: „Chaoten und
Gewalttäter“ auf der einen, „sensationsgeile Ahnungslose“ auf der
anderen Seite. Bei vielen Fangruppen wurden „die Medien“ in den
letzten Jahren immer mehr zum Feindbild Nummer zwei – neben der
Polizei. Dennoch wird der Kampf um die öffentliche Meinung wird
niemals zu gewinnen sein, wenn man pauschal alle Medien attackiert –
und damit jede Chance aufgibt, selbst an der eigenen
Außendarstellung mitzuwirken – wie zum Beispiel die Kampagne 12:12
eindrucksvoll bewiesen hat.
Vortrag und Diskussion sollen vermitteln, wie „Realität“ entsteht,
wie Medien arbeiten – und auch wieso Journalismus häufig von so
niederschmetternder Qualität ist. Gleichzeitig soll aber auch eine
Diskussion darüber stattfinden, was für einen Journalismus Fans und
insbesondere Ultras sich eigentlich wünschen? Einen informierten?
Einen fairen? Einen wohlwollenden? Einen unkritischen? Gar keinen?
Und vor allem: Deckt sich die Vorstellung von Berichterstattung über
Fußball mit derjenigen, die man über andere Themen gerne hätte?

*Andrej Reisin *arbeitet seit 1996 als Freier Journalist, unter
anderem für die taz, Spiegel Online und die Welt. Seit 2002 arbeitet
er vor allem im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR), zunächst
für tagesschau.de , später für NDR Kultur und
seit 2009 für das ARD-Politmagazin Panorama. Er ist einer der
Herausgeber des Weblogs Publikative.org, das 2013 den Alternativen
Medienpreis und den Publikumspreis der Best of Blog Awards (BOBS)
der Deutschen
Welle gewann, sowie für den Grimme Online Award nominiert war.

Veranstaltungsort: Jugendzentrum Tossehof, Plutostraße 89
45888 Gelsenkirchen
Beginn: 19.00 Uhr

*Der Eintritt ist frei*