13.08.2019

Eine vorbildliche Fankultur braucht Vorbilder – ein Kommentar

Mit dem Schalker Fanprojekt erbringt unser Träger Gelsensport e.V. seit fast 25 Jahren professionelle Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit im Sinne des SGB VIII im Umfeld des FC Schalke 04. Der Auftrag der Fanprojekte wird durch das „nationale Konzept Sport und Sicherheit“ (NKSS) legitimiert, welches einen breiten Konsens unter Entscheidungsträgern in Fußball und Politik genießt. Sozialpädagogische Fanprojekte handeln im öffentlichen Interesse und tragen zu einer Fankultur bei, die sich auch aktiv gegen extremistische Strömungen positioniert. Ein seit jeher zentrales Themenfeld dieser Arbeit ist die Prävention von Diskriminierung und Rassismus. Unseren Auftrag haben wir in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Lesungen, Gesprächsrunden, Ausstellungen, Gedenkstättenfahrten, Jugendfreizeiten sowie unserer Konzeption des „Lernort Stadion“ umgesetzt.

Wenn in diesen Tagen die neue Saison beginnt, wird der Fußball wieder Lebensmittelpunkt für viele junge Fans. Schalke bildet einen zentralen Bestandteil ihrer Identität. Gerade für die aktive Fanszene geht dies weit über den sportlichen Wettbewerb hinaus. Es liegt daher auf der Hand, dass diese jungen Menschen nicht nur sportliche Vorbilder benötigen. Vielmehr sind für sie auch ideelle Vorbilder gefragt. Das können Einzelpersonen sein, welche gemeinsame Werte aktiv vertreten, transportieren und voran treiben.

Die Unterstützung durch den FC Schalke 04 ist für unsere Arbeit essentiell. Diese geht regelmäßig über die rein ideelle Unterstützung unserer Ziele hinaus, aber Rückenwind für unsere Arbeit bilden auch das Leitbild und die Vereinssatzung, welche nicht nur aus unserer Sicht in Bezug auf Diskriminierung und Rassismus eindeutig sind. In politisch schwierigen Zeiten, in denen Uneindeutigkeit und Diffusion den öffentlichen Diskurs beherrschen, benötigen besonders Jugendliche und junge Erwachsenen Eindeutigkeit. Denn Jugendkultur ist davon geprägt, gesellschaftliche Konventionen herauszufordern und vermeintlich Unverhandelbares zu hinterfragen.

Wenn Personen, welche die Diskussion um die gemeinsamen Werte des Vereins herausfordern, gleichzeitig auch diejenigen sind, die diese gemäß ihrer Position als ideelle Vorbilder am eindeutigsten vorleben könnten, wirft das mehrere Fragen auf: Was wollen wir Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bezug auf den Umgang mit Rassismus und Diskriminierung signalisieren? Was wollen wir diesen jungen Menschen für den Umgang mit einem gemeinsamen Wertekanon vermitteln? Gibt es Werte in diesem Kanon, deren Missachtung eine Bagatelle ist? Und müssten nicht alle, die sich als Schalker identifizieren, diesen Kanon auch aktiv vertreten – leben – und zwar unabhängig von ihrem Status?

Vor allem aber: Welche Fankultur wollen wir auf Schalke? Bisher haben wir eine Fanszene, die auch bereit ist, sich offen gegen Diskriminierung zu positionieren. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt der Blick in andere Stadien, nicht nur innerhalb der deutschen Fußballlandschaft. Es ist eine Errungenschaft des teils jahrzehntelangem Engagements vieler beteiligter Gruppen auf Schalke. Werden Diskriminierung und Rassismus in den Raum der Uneindeutigkeit verschoben und bagatellisiert, eröffnen sich gleichzeitig Räume für neue Strömungen, welche diese Errungenschaft herausfordern werden. Wenn wir jedoch eine vorbildliche Fankultur auf Schalke wollen, müssen wir auch an den Vorbildern arbeiten. Vorbilder, die nicht nur das Leitbild leben, sondern auch zu ihren Fehlern stehen, sich bei Betroffenen entschuldigen, allen Beteiligten zuhören und dialogbereit bleiben.

Verschiedene kulturelle Hintergründe haben auf Schalke Tradition. Gleichzeitig fußt diese Tradition auf einem schwierigen Erbe. Der FC Schalke 04 ist einer der wenigen Fußballvereine, die ihre Geschichte intensiv aufgearbeitet haben. Das hat auch zur Entzauberung alter Idole vom Schalker Markt geführt. Auf diesen Mut kann der Verein stolz sein – und sollte ihn, um einer gesunden Fankultur willen, auch zukünftig zeigen.

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